#24 Psychologie der Veränderung & Vertrauen bei KI Influencern (2)
Ich habe kürzlich auf Linkedin eine Umfrage gestartet – und das Ergebnis hat mich schon etwas überrascht.
In der Umfrage wollte ich wissen, wie Menschen auf KI-generierte Inhalte reagieren und die Antworten waren radikaler als erwartet:
Linkedin Umfrage in meiner Community Jan. 2025
48 % ignorieren solche Inhalte aktiv, was darauf hindeutet, dass fast die Hälfte der Teilnehmenden wenig bis gar kein Interesse an Content von KI-Influencern hat.
46 % akzeptieren KI-generierte Inhalte, wenn sie gut gemacht sind, was zeigt, dass fast genauso viele Menschen offen dafür sind, wenn die Qualität überzeugt.
Nur 7 % sagen, dass nur der Content zählt, unabhängig von der Quelle, was darauf hindeutet, dass die Urheberschaft für viele eine Rolle spielt.
Die starke Polarisierung ist bemerkenswert. Die meisten Menschen scheinen entweder KI-Content zu ignorieren oder ihn zu akzeptieren, wenn er qualitativ hochwertig ist. Die neutrale Haltung („Nur der Content zählt“) ist dagegen kaum vertreten. Das zeigt, dass die Urheberschaft eine wichtige Rolle spielt und nicht einfach übergangen wird.
Unausgeglichene Pro- & Contralisten, Quelle: luckyshareman.com, 2025
Aktuell scheint es noch einige Vorbehalte zu geben gegenüber KI-Influencern. Doch was sind die psychologischen Gründe dahinter?
Meine Hypothesen: Veränderungsaversion, Vertrauen und Glaubwürdigkeit, fehlende soziale Normen und Technologieakzeptanz
Es ist wahrscheinlich, dass die Ablehnung von KI-generierten Inhalten vor allem auf tief verankerte psychologische Mechanismen zurückzuführen ist. Dazu gehören unbewusste Vorbehalte gegenüber Künstlichkeit, der Verlust von Vertrauen und Glaubwürdigkeit durch fehlende echte soziale Bindungen sowie eine generelle Veränderungsaversion, die neue digitale Entwicklungen skeptisch betrachtet.
Es gibt unterdessen auch zahlreiche Aufrufe und Statements, die eine klare Ablehnung positionieren:
Auch die folgende Kampagne von Mango mit KI-Models wurde auf der SRF Plattform stark diskutiert:

Unter dem Artikel gibt es über 100 Kommentare dafür und dagegen:
„Man sieht klar, dass die KI keinen Schimmer hat von der Realität. Würde die Frau so auf einem Bazar in Marokko herum stehen, würde sich spontan eine Horde Männer zusammen rotten und dann käme es zu einem Tumult.“
„Ich sag’s mal so. Müssen sich Models nicht mehr Richtung magersüchtig hungern um einen Auftrag zu erhalten, ist das ein Pluspunkt. Negativ, sobald junge Frauen nur noch KI-Idealbilder sehen, geht das auf Kosten zig verschiedener Körperformen und dem Aussehen.“
„Models gibt’s mehr als genug, nicht unbedingt nötig hier zu KI-Support zu greifen.“
Die Akzeptanz von Technologie wird auch durch soziale Normen und den Einfluss des sozialen Umfelds beeinflusst. Wenn Menschen sehen, dass ihre Freunde, Familie oder Kollegen eine bestimmte Technologie nutzen und davon profitieren, sind sie eher bereit, es ihnen gleich zu tun.
Dies kann gut gezeigt werden anhand der Faktoren des Technology Acceptance Model (TAM) . Das Modell erklärt Akzeptanz neuer Technologien vor allem durch zwei Hauptfaktoren:
wahrgenommene Nützlichkeit (Perceived Usefulness) und
wahrgenommene Benutzerfreundlichkeit (Perceived Ease of Use)
Wenn Menschen KI-Influencer als wenig nützlich oder schwer verständlich empfinden, könnte dies ihre Skepsis verstärken.
Das folgende Bild mit den Adoption Rates veranschaulicht, wie unterschiedlich die Akzeptanz neuer Technologien in der Gesellschaft ist:
Adoptionsraten von neuen Technologien, Quelle: intotheminds.com, 2025
Als erstes steigen die Innovators und Early Adopters ein, die offen für Neues sind. Die Laggards, die sich Veränderungen erst sehr spät oder gar nicht anpassen, entscheiden sich erst dafür einzusteigen, wenn sich das Angebot schon bewiesen hat. Aktuell befinden wir uns vermutlich erst bei der Steigung dieser Kurve und den „Early Adopters“.
Die Psychologie der Veränderung
Die sieben Phasen der Veränderung, wie sie oft im Change Management verwendet werden, basieren ursprünglich auf den Forschungen von Elisabeth Kübler-Ross über Trauerprozesse. Dieses Modell wurde später auf Veränderungsprozesse im Allgemeinen übertragen und um zwei Schritte erweitert:
Quelle: Change-Kurve nach Kübler-Ross/Streich, wcg.de, 2025
Wenn diese sieben Phasen der Veränderung auf das Thema KI-Influencer abgebildet werden wird klar, dass wir an verschiedenen Orten der Veränderung stehen:
Schock und Verneinung: Anfängliche Skepsis gegenüber KI-generierten Inhalten (ein Teil ist noch hier)
Einsicht und Akzeptanz: Erkennen des Potenzials und der Reichweite von KI-Influencern (einige, wie Florian Hübner propagieren schon dieses Potenzial)
Ausprobieren und Erkenntnis: Unternehmen experimentieren mit KI-Influencern in ihrer Markenkommunikation (siehe Artikel #23)
Integration: KI-Influencer werden als fester Bestandteil in Marketingstrategien aufgenommen (next Step!)
Einerseits wird sehr fleissig schon ausprobiert, andererseits gibt es noch viele Personen, die sich bei dem ganzen Thema abwinken und kein Interesse daran zeigen.
Checkliste: Change Management fürs Marketing mit KI Influencern in 7 Schritten
Um die Akzeptanz von KI-Influencern im Marketing zu fördern, können die sieben Phasen des Veränderungsprozesses nach Kübler-Ross genutzt werden, um die damit verbundenen Herausforderungen gezielt anzugehen:
Schock:
Transparente Kommunikation über die Einführung von KI-Influencern, Hervorhebung der Vorteile und des Mehrwerts für das Unternehmen und die Zielgruppe==> Brauchen keinen Schlaf, immer verfügbar, unendlich viel Content möglich….
Verneinung, Widerstand:
Erfolgreiche Anwendungsfälle von KI-Influencern in der Mode und anderen Branchen aufzeigen. Betonen, dass KI-Influencer menschliche Influencer nicht ersetzen, sondern nur eine weitere Form von Marketing sind, wie Maskottchen, oder Brand Ambassadoren, usw.Rationale Einsicht, Verstehen:
Detaillierte Informationen über die Funktionsweise von KI-Influencern bereitstellen.==> Wie sind sie entwickelt worden? Was waren die Überlegungen hinter dem Design?
Emotionale Akzeptanz:
Möglichkeit zum Experimentieren und Sammeln eigener Erfahrungen mit KI-Influencern. Erfolge hervorheben und positives Feedback teilen.==> Feedbacks verarbeiten und umsetzen, adressieren, transparent sein
Lernen, Ausprobieren:
Schulungen und Workshops durchführen, strategische Auswahl der KI-Tools, Entwicklung einer klaren Content-Strategie.Erkenntnis:
Erfolge feiern und die positiven Auswirkungen von KI-Influencern aufzeigen (z.B. verbesserte Markenwahrnehmung, höhere Interaktionsraten, mehr Content).Integration:
KI-Influencer fest in die Marketingstrategie integrieren. Kontinuierliche Weiterentwicklung – Learning by Doing :)!
Ich persönlich finde es wichtig, dass es keinen puren KI-Ansatz wird, sondern immer mit der unschlagbaren menschlichen Kreativität kombiniert wird. So kann auch die wichtige Authentizität hergestellt werden und eine Art Kontrolle behalten werden, was die KI da allenfalls fabriziert.
3 Dinge, die wir uns im Umgang mit KI-Influencern merken sollten
Authentizität und Transparenz zählen: Menschen interessieren sich nicht nur für den Inhalt, sondern auch für die Person dahinter. Es muss klar sein, dass Content KI-generiert ist.
KI-Content muss Mehrwert bieten: Die Akzeptanz steigt, wenn Content „gut gemacht“ ist. Das spricht für eine sorgfältige Erstellung, die den Eindruck einer echten menschlichen Handschrift wahrt.
Ein Teil des Publikums ist schwer erreichbar: Fast die Hälfte der Menschen ignoriert solche Inhalte bewusst. Das könnte ein Hinweis darauf sein, dass KI-Influencer eine spezifische Zielgruppe bedienen, aber nicht die breite Masse erreichen.
KI-Influencer werfen ethische Fragen auf, insbesondere im Hinblick auf Manipulation und die Verbreitung von Inhalten, die von der Zielgruppe missverstanden werden könnten. Marken müssen verantwortungsvoll mit diesen Risiken umgehen und sicherstellen, dass die Werte der Marke im Einklang mit dem Einsatz von KI-Influencern stehen.
Warum ist auch die Einhaltung ethischer Standards wichtig?
Weil nur die Einhaltung ethischer Standards das Vertrauen erhält, das bei Influencern von zentraler Bedeutung ist.
In der Psychologie wird Vertrauen als eine subjektive Überzeugung oder ein Gefühl definiert, das auf der Ehrlichkeit einer anderen Person beruht. Es beinhaltet den Glauben an die Ehrlichkeit und Verlässlichkeit dieser Person, wodurch eine zwischenmenschliche Bindung oder Beziehung ermöglicht wird. Vertrauen beinhaltet immer ein gewisses Risiko, da man sich auf das Verhalten anderer verlässt und sich dadurch verletzlich macht!
Wir vertrauen nicht nur Menschen; auch Marken, Staaten und Unternehmen
Auch Marken, oder eben KI-Influencer können Vertrauen erwecken. Ich habe zwar keine Ahnung von Autoreifen, aber wenn ich Continental höre, dann nehme ich an, dass es qualitativ hochstehende Produkte sind. Oder wenn ich einen neuen Computer kaufe, dann kann ich bei einem Mac (vorausgesetzt man mag das Betriebssystem) davon ausgehen, dass die Qualität stimmt.
Verschiedene Faktoren fördern dieses Vertrauen in Brands:
Ehrlichkeit, Authentizität und Offenheit
Dialogorientierte Kommunikation
Transparenz
Kongruentes Verhalten
Lösungsorientierung
Empathie und menschliche Nähe
Respekt und Interesse
Zuverlässigkeit
Kontaktaufnahme und Kommunikation
Redlichkeit (Keine Tricks oder Hintergehen!)
Vertrauen bei KI-Influencern? 10 Punkte, die das Vertrauen aufbauen
Konkret umgesetzt bedeutet das für KI-Influencer:
Recap: KI Influencer sind noch am Anfang
Die Reaktionen auf KI-Influencer sind stark gespalten: Fast die Hälfte der Befragten ignoriert sie aktiv, während eine ähnlich grosse Gruppe sie akzeptiert, wenn die Qualität stimmt. Nur wenige sehen den Content völlig unabhängig von der Urheberschaft. Das zeigt, dass die Akzeptanz nicht nur von der Qualität, sondern auch vom Kontext abhängt.
Und das ist auch völlig OK so.
Es müssen ja nicht alle die KI-Influencer mögen. Jedoch kann ich mir vorstellen, dass die Vorteile vom Einsatz der KI-Influencer mit der Zeit überwiegen werden. Es können nicht nur Kosten gespart werden, skaliert werden, ich persönlich sehe ebenfalls einen zusätzlichen Nutzen für eine gefährdete Gruppen (Frauen, ja, leider)!
Auf dieses Thema möchte ich noch in einem separaten Artikel eingehen, aber dies schon einmal vorab: Etwa 90 % der heutigen generierten DeepFakes im Internet sind pornografische Inhalte ohne Zustimmungen der Frauen und ihren Bildern, die online kursieren. Die strafrechtliche Unterstützung ist diesbezüglich praktisch nicht vorhanden und KI-Influencer könnten in dieser Hinsicht auch einen gewissen Schutz bieten, sich als Influencer nicht der ganzen Bandbreite des Internets aussetzen zu müssen.
Schlussendlich sind KI-Influencer ein polarisierendes Thema, das stark von psychologischen Faktoren beeinflusst wird. Die Akzeptanz wird steigen, wenn Marken Transparenz, Glaubwürdigkeit priorisieren und den Wandel aktiv und auf eine ethische Weise begleiten.
Im nächsten Teil dieser Reihe möchte ich die Vor- und Nachteile anhand der Erstellung eines eigenen KI-Influencers austesten. Seid ihr dabei?
Was denkt ihr zum Thema? Schreibt es in die Kommentare!
Bis Bald 🚀
Jill
Referenzen
Lizenberger, Kristina. „Change Kurve – 7 Phasen der Veränderung“. BOLD COLLECTIVE (blog), 27. März 2023. https://boldcollective.de/change-kurve/.
„Change-Kurve nach Kübler-Ross/Streich | WCG“. Zugegriffen 8. Februar 2025. https://www.wcg.de/glossar/change-kurve-nach-kuebler-ross-streich/.
Schwab, Pierre-Nicolas. „Der Platz des Early Adopters bei der Technologieakzeptanz“. Market research consulting (blog), 12. Dezember 2022. https://www.intotheminds.com/blog/de/early-adopter/.
Mai, Jochen. „Die 5 Grundregeln des Vertrauens“. karrierebibel.de, 10. Juli 2019. https://karrierebibel.de/vertrauen/.
„Die Zukunft des Influencer-Marketings: Künstliche Intelligenz im Online Marketing“, 15. August 2023. https://www.starsmedia.com/ki/die-zukunft-des-influencer-marketings-kuenstliche-intelligenz-im-online-marketing/.
„KI und Influencer Marketing: Evolution, Potenziale und ethische Fragen – BORAN x PAROT®“, 15. April 2024. https://boran-parot.com/artificial-intelligence-automation/ki-influencer-marketing/.
„Markenvertrauen“. In Wikipedia, 2. Januar 2023. https://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Markenvertrauen&oldid=229412025.
Haller, Ann-Kathrin. „Technologieakzeptanz: Wie Menschen neue Technologien annehmen und integrieren · Synaworks“. Synaworks (blog), 10. August 2023. https://synaworks.com/technologieakzeptanz-wie-menschen-neue-technologien-annehmen-und-integrieren/.
Kommunikation, PR &. „Virtuell, aber glaubwürdig? FHWN-Studie nimmt KI-Influencer unter die“. FH Wiener Neustadt | Media Center. Zugegriffen 27. Januar 2025. https://presse.fhwn.ac.at/news-virtuell-aber-glaubwuerdig-fhwn-studie-nimmt-ki-influencer-unter-die-lupe?id=205448&menueid=11328&l=deutsch.