#20 10 Preispsychologie Tricks, die du kennen musst
Hört ihr schon das Ho ho ho und die Glocken? Überall duftet es nach Zimtkerzen und was kommt euch als nächstes in den Sinn? (Ja na gut, nachdem ihr aus irgendeinem Grund an den Weihnachtsmann mit einer Coca Cola in der Hand denken musstet). Natürlich: Geschenke! Einkaufen! Shopping für eure Liebsten.
Vielleicht habt ihr euch sogar selbst an Black Friday was gegönnt? Ihr packt das Päckchen von Digitec aus und fragt euch, warum ihr so viel gekauft habt! Wolltet ihr das wirklich alles? Oder hat euch da etwas ganz subtil in Versuchung geführt?
Vielleicht sind es die unscheinbaren Tricks der Preispsychologie, die euren Einkaufswagen voller gemacht haben, als er eigentlich sein sollte. Unternehmen wissen genau, wie sie uns beeinflussen können – oft ohne, dass wir es merken.
In diesem Artikel werfen wir einen Blick hinter die Kulissen und zeigen euch 10 Preisstrategien, die ihr unbedingt kennen solltet, damit ihr beim nächsten Einkauf etwas schlauer seid.
1. Der Decoy-Effekt
Der Decoy wird auch Köder genannt und wird meist in der Mitte bei drei Preisgrössen platziert. Ein schönes Beispiel findet ihr bei Starbucks (auch Kinos oder Zeitungsabos). Ohne den mittleren Köder würde man sich wahrscheinlich für die kleinere Version entscheiden. Aber wenn es nur ein kleiner Schritt zum grössten Preis ist, dann greift ihr doch lieber zur grössten Option:
Quelle: movek.co, 2024
Stellt euch vor, es gäbe hier nur Small und Large 3.50 und 5.00. Wer hätte dann die grosse Variante gewählt?
Der Decoy-Effekt funktioniert, weil Menschen Kaufentscheidungen zu etwa 85 bis 95 Prozent unbewusst treffen. Deshalb gilt er als effektive Preisstrategie und wird häufig eingesetzt.
Erklärung von Daniel Ariely:
2. Magische Zahl 9
Habt ihr euch auch schon mal gefragt, warum so viele Produkte Preise haben wie 39.-, 9.99 oder 99.-? Oder es gab sogar einen ganzen Laden, der 99 Cents Store hiess (ja, Vergangenheit, leider musste er schliessen)? Diesen Effekt haben Forscher des MIT untersucht, nachdem sie festgestellt hatten, wie diese Preise in der Praxis überall verwendet werden. Sie stellten in drei verschiedenen Versuchsanordnungen fest, dass die Nachfrage bei Verwendung der 9 am Ende des Preises steigt.
Dies führt gleich zum nächsten Effekt, der Kategorisierung:
3. Preiskategorisierung
Wir ordnen Preise in mentale Kategorien ein. Preise wie 19.99 landen in unserer Wahrnehmung in der Kategorie „10 bis 20“, während 20 plötzlich zu „20 bis 30“ gehört. Diese Kategorisierung kann beeinflussen, wie günstig ein Angebot erscheint.
4. Der Preisanker
Eine der prominentesten und am Black Friday am häufigsten eingesetzten Preisstrategien: durchgestrichene alte Preise neben neuen „Schnäppchenpreisen“. Der Originalpreis dient als Vergleichswert, um den reduzierten Preis attraktiver erscheinen zu lassen. Dieser wird jedoch teilweise willkürlich hoch angesetzt, so dass der Rabattpreis im Kontrast dazu verlockend niedrig erscheint.
Beispiel: Ein teures Produkt wird neben einem günstigeren platziert, z.B. ein Luxusfernseher für CHF 5’000 neben einem Standardgerät für CHF 1’500.
Et voilà. Ich versuche gerade, mich für einen Fernseher zu entscheiden. Der Anker sagt mir, dass ich mit ca. 2’400.- rechnen muss, wobei der 1’000.- Fernseher gleich viel günstiger erscheint, als wenn ich das Angebot alleine gesehen hätte.
Quelle: Digitec, 2024
5. Buy 1 get 1 free (oder Victoria Secret Methode)
Jedes Mal, wenn ich in den USA einen Victoria Secret Store verlasse, habe ich fünf Lipglosse zu viel und ein paar Hipster, die ich eigentlich gar nicht kaufen wollte. Das liegt daran, dass Victoria Secret diese Strategie einfach nahezu perfekt beherrscht.
Unser Gehirn liebt es, etwas „geschenkt“ zu bekommen, auch wenn wir dafür sogar noch mehr dazu kaufen müssen.
Hier zum Beispiel, wer hätte gedacht, dass ich gleich fünf Panties brauche? Aber fünf kosten mich nur $30 anstatt 5 x $10.50. Das ist doch ein unschlagbares Schnäppchen:
Quelle: https://www.victoriassecret.com/, 2024
Wenn etwas umsonst ist, bewerten wir es viel positiver, als wenn es nur einen Rabatt oder einen Preisnachlass gibt. Der Verhaltensökonom Dan Ariely hat gezeigt, dass Käufer ein kostenloses Hershey’s Kiss einem Lindt-Trüffel für 25 Cent vorziehen würden, obwohl 40 % bei einem Preis von 1 Cent den Lindt-Trüffel vorziehen würden.
6. Vergleichspreise / Vergleichsstrategie
Schon mal zwei identische Laptops bei Digitec gesehen, aber zu unterschiedlichen Preisen? Das könnte eine Strategie des Online-Shops sein. In solchen Fällen entscheiden sich viele für das teurere Produkt, weil wir höhere Preise mit besserer Qualität assoziieren. Aber warum handeln wir irrational?
Zum einen liegt dem die Annahme zugrunde, dass höhere Produktionskosten oder bessere Materialien zu einem höheren Preis führen.
Andererseits befinden wir uns in einer Situation mit begrenzter Information: In Situationen mit wenig Produktinformation oder geringem Involvement wenden wir Heuristiken an. Die Preis-Qualitäts-Heuristik dient als mentale Abkürzung bei Kaufentscheidungen. Wir nutzen also den Preis als Indikator für Qualität.
Weitere Faktoren wie Markenbekanntheit (z.B. Bosch bei Haushaltsgeräten), Statussymbolik (Luxusuhren), Marktpositionierung (Apple) beeinflussen unsere Bewertung.
7. Künstliche Zeitbeschränkung
„Nur noch 24 Stunden gültig!“ – Zeitlich begrenzte Angebote sollen uns unter Druck setzen und eine künstliche Dringlichkeit erzeugen. Auch das beherrscht Victoria als ihr Geheimnis:
Quelle: https://www.victoriassecret.com/, 2024
Oben: Wer findet das „Limited Time Offer“?
8. Pauschalpreis-Bias
Wie beruhigend, wenn der Preis klar angegeben ist. 2’900.- und der ganze Urlaub ist drin.
Quelle: www.tui.ch, 2024
Ist wirklich alles abgedeckt? Oder gibt es Zusatzleistungen, für die man später noch bezahlen muss? Pauschalpreise sind beliebt, weil sie einfacher zu verstehen sind. Aber manchmal verstecken sie Kosten, die uns bei einer detaillierten Aufschlüsselung aufgefallen wären.
9. Preis-Grössen-Effekte
Auch die visuelle Gestaltung von Preisen hat einen erstaunlichen Einfluss auf unsere Wahrnehmung. Eine Studie hat gezeigt, dass kleinere Schriftgrössen bei Preisangaben dazu führen, dass die Preise als „niedriger“ wahrgenommen werden.
Quelle: Websiteboosting.com, 2024
Wenn ihr also plötzlich eine kleinere Schrift bei der Preisbezeichnung bemerkt, könnte das eine bewusste Strategie sein, um uns das Gefühl zu geben, dass dieses Produkt besonders günstig ist.
10. Verlustaversion
„Den Rabatt des Jahres nicht verpassen!“ oder „Nur noch 5 Stück verfügbar!“ waren am Black Friday allgegenwärtig. Künstliche Verknappung, Countdowns und Handlungsaufforderungen wie „Jetzt sichern!“ triggern unsere Verlustaversion etwas zu verpassen oder zu verlieren, das wir hätten haben können. Die Verlustaversion ist ein tief verwurzeltes psychologisches Phänomen, das unsere Neigung beschreibt, potenzielle Verluste stärker zu gewichten als gleichwertige Gewinne.
Flippt die Münze: https://g.co/kgs/hM6u13N
Landet sie auf dem Kopf, gewinnt man CHF 10, landet sie auf der Zahl, verliert man CHF 10. Klingt fair, oder? Aber hier zeigt sich die Verlustaversion: Der Gedanke, die 10 Franken zu verlieren, die man schon hat, ist schlimmer als die Freude über den Gewinn.
Fazit:
Bleibt kritisch: Lasst euch nicht von unrunden Preisen oder vermeintlichen Rabatten täuschen – vergleicht Gesamtpreise und prüft Originalpreise genau. Achtet auf versteckte Gebühren und langfristige Folgekosten, vor allem bei Verbrauchsmaterialien.
Ob Decoy-Effekt, Preisanker oder FOMO – die Strategien der Preispsychologie sind clever, aber durchschaubar. Jetzt wisst ihr, worauf ihr achten könnt, um bewusster einzukaufen und nicht mehr zu kaufen, als ihr wirklich braucht.
Welche Strategien habt ihr bereits erkannt? Und welche könnt ihr ab jetzt besser vermeiden?
Bis Bald
Jill
Referenzen
Anderson, Eric T., und Duncan I. Simester. „Effects of $9 Price Endings on Retail Sales: Evidence from Field Experiments“. Quantitative Marketing and Economics 1, Nr. 1 (1. März 2003): 93–110. https://doi.org/10.1023/A:1023581927405.
Laja, Peep. „Pricing Experiments You Might Not Know, But Can Learn From“. CXL, 6. Januar 2020. https://cxl.com/blog/pricing-experiments-you-might-not-know-but-can-learn-from/.
Capital One Shopping. „Pricing Psychology Statistics (2024): .99 & Charm Pricing“. Zugegriffen 8. Dezember 2024. https://capitaloneshopping.com/research/pricing-psychology-statistics/.